Fragt mich nicht wieso, aber irgendwie habe ich es geahnt. Zu verbittert meine Erinnerung an vergangenes Jahr, die Freude war einst groß, als wir in Führung gingen. Das selbe Ergebnis, 1 Jahr, 1 Monat und 11 Tage später. Ein merkwürdiges Gefühl, wenn sich binnen 2 Stunden Anspannung, Hoffnung, Nervosität, Angst, Glaube, Enttäuschung und tiefster Frust miteinander vermischen, am Ende bleibst du zurück und weißt nicht so recht, was du davon halten sollst.

Im Vorfeld war klar, dass es heute um mehr gehen würde, als um 3 Punkte in der Bundesliga, ein positiver Hinrundenabschluss war in den Hintergrund gerückt, die Entscheidung der 36 Bundesliga-Vereine und der Verbände DFB und DFL bereitete uns große Sorgen. Nicht nur uns, alle aktiven Fans und Ultras in ganz Deutschland sehen das bedroht, was wir mit Liebe und Leidenschaft ausleben möchten: unsere Fankultur.

Wir alle haben es mitbekommen. Unser Kampf und unser Protest gegen das sogenannte Maßnahmenpapier “Sicheres Stadionerlebnis” fand vorerst am 12.12.2012, laut Maya-Kalender erster Vorbote des nahenden Weltuntergangs (welche Ironie) ein jähes Ende. Vor einigen Monaten tauchte das Papier auf, wurde medienwirksam diskutiert, man solidarisierte sich, rief gemeinsame Projekte und Petitionen wie “Ich fühl mich sicher!” und “12:12 \” Ohne Stimme, keine Stimmung!” ins Leben.

In den Farben getrennt, in der Sache vereint

Die letzten Spieltage vor der Abstimmung protestierte man vereins- und ligaübergreifend und schwieg die ersten 12 Minuten und 12 Sekunden. Wir sind erhört wurden, der Protest zeigte zumindest in der Hinsicht Wirkung, dass jeder gesehen hat, wie Stadien ohne Fankultur aussehen können. Eine gespenstische Stille dort, wo normalerweise die Fans ihre Mannschaft zum Sieg schreien, die alles geben und ihr größtes Hobby leben.

Und dann war er da, der 12. Dezember. Ernüchterndes Urteil: fast alle der 36 Profiklubs stimmten zu, die meisten davon vorbehaltlos, so auch der VfB Stuttgart, der Wochen zuvor nach Diskussionen mit dem Fanausschuss sich gegen das Papier aussprach und mitteilte, dies am Tag X abzulehnen und stattdessen auf einen Dialog mit den Fans zu bestehen, der bis dato zu keiner Zeit statt gefunden hatte.

Politiker und Geschäftsmänner, die aktive Fußballfans bisher allenfalls durch die Glasscheibe ihrer VIP-Loge gesehen hatten und in ihrem Leben noch niemals auswärts gefahren sind, entschieden unter Ausschluss der Öffentlichkeit an einem grünen Tisch über Regeln und Gesetze, die den schleichenden Tod der Fankultur bedeuten könnten. Die Tatsache, dass ein gewisses Maß an politischem Druck ausreicht, um derartige Konsequenzen erreichen zu können, ist geradezu beängstigend.

Viel Wut, wenig Verständnis

Populistische Politiker, die ihr eigenes Versagen vertuschen wollen, bedenken wir nur mal, dass in Deutschland Terroristen unter dem Schutz der Verfassung stehen und wenige Tage zuvor am Bonner Hauptbahnhof eine Bombe gefunden wurde, die viele Menschen in den Tod hätte reißen können. Nein, man kümmert sich stattdessen um Fußballfans.

Allesamt abgestempelt als Chaoten, Hooligans, Randalierer, Krawallmacher, Verbrecher \” Fußball und gewalttätige Ausschreitungen gehören ja schließlich untrennbar zusammen, oder etwa nicht? Nur komisch, dass jeder, den ich frage, sich im Stadion sicher fühlt?! Ohne jeden Zweifel schlug dieses Maßnahmenpapier hohe Wellen in jeder Fanszene.

Seit Wochen gibt es Protest in den Kurven, sei es optisch, durch kritische Banner und Transparente, oder akustisch, durch das komplette oder zeitweise Unterdrücken jeglicher Stimmung. Die Entscheidung für dieses Papier traf jeden von uns mitten ins Herz, fürchten wir doch um unseren geliebten Sport. Auch beim letzten Hinrundenspiel in Mainz sollten uns die Gedanken und Sorgen nicht loslassen können.

Mit gemischten Gefühlen nach Mainz

Drei Tage ist es her, dass um die Mittagszeit herum durchsickerte, dass das Sicherheitspaket verabschiedet wurde. Ein gefühlter Weltuntergang für alle, die sich selbst eine Fanszene zugehörig fühlen, seien es die Ultras selbst, die ich in meiner Zeit beim VfB als engagierte, emotionale und freundliche Zeitgenossen kennenlernen durfte, oder alljene, die zu den meisten Spielen unseres Brustrings fahren und wissen, wie es auf Auswärtsspielen zugeht. Wie geht es jetzt weiter? Diese Frage stellten wir uns wohl alle.

Morgens früh aufgewacht und alles vorbereitet, so wie immer. Lunchpakete, Tickets, Geldbörsen, Kameras, alles verstaut und abfahrbereit. Ein mulmiges Gefühl durchfuhr mich, war es die Sorge wegen des Maßnahmenpakets oder die Erinnerung an letztes Jahr? Vermutlich ein bisschen was von beidem. Auch meine bessere Hälfte stand irgendwie neben sich. Alles war schon im Auto verstaut, wir waren schon fast in Weinstadt-Beutelsbach angekommen, dem eigentlichen Startpunkt der letzten Auswärtsfahrt des Jahres 2012, bis ihm einfiel: Scheiße, Bauchtäschle (inkl. Kamera) vergessen.

Er fuhr zurück, während ich mit Gerd weiterfuhr nach Waiblingen, 2 weitere Mitfahrer abgeholt. Wir sammelten ihn am Waiblinger Bahnhof wieder ein, die letzte Person stieg beim Weinsberger Kreuz hinzu und fuhren im ungemütlichen Regenwetter in Richtung Rheinland. Mit im Gepäck: viel ungesunder Knabberkram, eine große Tupperdose voll mit leckerem selbstgebackenen Kuchen, und ein komisches Gefühl der Unwissenheit, wie die ersten Reaktionen nach dem Beschluss des Papiers aussehen würden.

Die Ruhe vor der Ruhe vor dem Sturm

Geparkt wurde wie letztes Mal in der Nähe des Unigeländes unweit entfernt von der Coface Arena, die man im Jahre 2009 mitten auf einen Kartoffelacker gesetzt hat. Weiter ging es mit dem Bus in die Innenstadt, wo wir uns bei Wurst und Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt stärkten. Durch die Menschenmassen hindurch, die Zeit flog uns davon, bald machten wir uns wieder auf den Rückweg Richtung Stadion. Möge es heute besser werden als letztes Jahr, es war eines der frustrierendsten Spiele der vergangenen Saison.

Lange verweilten wir noch vor dem Blockeingang an den Imbissständen, ich konnte deutlich spüren, wie angespannt die Stimmung heute ist. 15 Uhr sollte sich der Fanausschuss am Eingang treffen und beraten, wie man heute verfährt, ob von Anfang an Stimmung gemacht werden würde, ob man durchweg schweigen würde, oder wie man denn am Besten seinen Protest und Unmut gegenüber dem Papier und den Verbänden zum Ausdruck bringen könnte. Es war ein komisches Gefühl vor Beginn des Spiels, mir stellten sich die Nackenhaare auf.

Wir gingen hinein, der Block war bereits schon voll, nur wenige freie Plätze in Treppennähe hatte es gegeben. Keine Fahnen, keine Doppelhalter, nichts war zu sehen von einer geplanten optischen Untermalung aus dem Gästeblock. Die Mainzer Fans hatten schon am Tag zuvor bekannt gegeben, dass sie 90 Minuten lang schweigen würden. Felix verabschiedete sich wieder, ich postierte mich schließlich etwa in mittlerer Höhe.

Stiller Protest

Kurz vor Anpfiff wurde dann bekannt gegeben, dass wir die ersten 45 Minuten schweigen würden und dann unseren Protest gegenüber DFB und DFL in gesungener Form zum Besten zu geben. Daran beteiligte ich mich, war mir aber auch bewusst, das dies sicher nicht jedem schmecken würde \” zu viele Schönwetterfans, Gelegenheits-Auswärtsfahrer und Betrunkene waren schon zugegen, die nicht verstehen würden, wieviel uns das bedeutet.

Die Mannschaften liefen ein, Haupt- und Gegentribüne klatschten, wie auch vereinzelte Zuschauer in der Mainzer Fankurve und im Gästeblock. Platzwahl verloren, das kann ja heiter werden. Manchmal verfluche ich meinen Aberglauben und mein Erinnerungsvermögen, beides miteinander kombiniert ließ mich unfreiwillig ans Heimspiel gegen Hoffenheim denken. Ich wollte glauben, dass sich die Geschichte dieses Mal nicht wiederholt.

Unten wurden von den aktiven Fans im Gästeblock ein Transparent hochgehalten: “Dialog, wofür?”. Ein heißes Thema, denn die gebetsmühlenartig wiederholte und derart dreiste Lüge, man würde im Sinne der Fans handeln, war für uns ein Schlag ins Gesicht. Das Spiel begann, der Ball rollte. Auf den Rängen: Nichts. Stille. Lediglich die Mainzer Gegentribüne fing immer wieder an zu klatschen, wurden von wilden Pfiffen aber schnell wieder zur Ruhe gezwungen.

Mehr als nur 12 Minuten und 12 Sekunden

Viele jubelten leise auf nachdem die Anzeigetafel 12:12 zeigte, dachten, damit sei der Protest dabei und sie dürften nun endlich Stimmung machen. Die Entscheidung, man wollte 45 Minuten still sein, war noch nicht bei Ihnen ankommen. Eine merkwürdige Stimmung machte sich breit. Auch auf dem Rasen passierte nicht sehr viel, erste wirklich nennenswerte Aktion war eine weitere Parade von Sven Ulreich, der hier in Mainz sein 100. Bundesligaspiel bestritten hatte.

Immer wieder schaute ich mich, keine Fahne wehte, stumm schwiegen wir und sahen ein regelrecht langweiliges Spiel. Wo sonst alle hüpfen und schreien, was das Zeug hält, stand man hier seelenruhig im Käfig zusammengepfercht und wartete auf die Halbzeitpause, nach der wir zumindest ein bisschen singen konnten. So stellt man sich kein Spiel des VfB vor, es widerstrebt der Natur des Fußballfans in der Kurve, doch geht es hier und heute um mehr als um 3 Punkte, es geht um uns alle und eine Zukunft, die wir uns aktuell recht düster ausmalen.

Hin und wieder gab es doch immer wieder kurze Aufschreie, sei es vor Verzweiflung, weil die Abwehr wankte, oder durch vergebene Chancen \” wie jene vom dreifachen Torschützen gegen Schalke, Vedad Ibisevic. Mit dem toll von Martin Harnik vorgelegten Ball rannte er aufs Mainzer Tor zu, den Jubelschrei auf den Lippen stützte ich mich auf den Schultern meiner Vorderleute ab, um etwas sehen zu können. Heinz Müller warf sich dazwischen und verhinderte das 0:1. Vorerst.

“Wir sind die Fans, die ihr nicht wollt!”

Etwas mehr als eine halbe Stunde war zu diesem Zeitpunkt gespielt. Ohne weitere Vorkommnisse ging es dann auch in die Halbzeitpause. Ich war durchaus gespannt, was dann folgen würde. Der stille Protest solle zum akustischen Protest gegen den Verband sein, der vehement behauptet, er wolle die Fankultur nicht zerstören. Ich will ja nicht unken, aber hatte nicht schonmal jemand so einen Wortlaut benutzt? Einst hieß es ja auch “Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen”.

Die 15 Minuten waren vorbei, quälend lange 900 Sekunden. Ohne das Bedürfnis, nach anstrengendem Support erstmal verschnaufen zu müssen, ohne Getränk und ohne Gesprächspartner schien die Zeit nahezu endlos. Doch irgendwann war auch das überstanden und ich war gespannt, was folgen würde. Schmähgesänge in Richtung DFB und DFL standen nun auf der Tagesordnung, ein Punkt, mit dem nicht jeder einverstanden war, je weiter man oben im Gästeblock stand \” ich bekam es nämlich hautnah mit.

Mit dem Wiederanpfiff erhoben sich die Fäuste und es erklang wieder die Stimme der VfB-Auswärtsfahrer, denen so viel daran gelegen ist, auch weiterhin mit großem Anhang in ganz Deutschland vertreten zu sein. Wir fühlen uns und unsere Ideale verraten, sowohl vom Verband als auch vom eigenen Verein, als würde man uns nicht wollen. Während die Mainzer weiter eisern schwiegen, bekamen wir unsere Stimme zurück, um sie gegen diese Ungerechtigkeit zu erheben.

Die Führung aus dem Nichts

Schon in der ersten Halbzeit konnte ich dem Spiel des VfB kaum Positives abgewinnen, eine äußerst schwache Vorstellung, ähnlich jener gegen Molde. Kein richtiger Biss, kein richtiger Wille \” der Gedanke, man könne, wenn alle Faktoren entsprechend mitspielen würden, sogar als Tabellendritter auf einem Champions League Platz überwintern, schien mehr zu lähmen als zu beflügeln.

Es war äußerst kurios, während sich im unteren Bereich des Gästeblocks die Gesänge gegen den Verband und unseren Präsidenten Gerd E. Mäuser richteten, der vorbehaltlos in allen 16 Punkten dem Papier zustimmte und damit bewusst gegen die VfB-Fans und den Fanausschuss entschied, war mein Augenmerk bei Angriffen auf dem Spielfeld der Mannschaft zugetan. Genau gesehen habe ich es nicht, aber der Jubel war groß, als es plötzlich dann doch 1:0 aus Sicht des VfB stand.

Egal wie, wir nehmen es gern mit. Wenige Millisekunden später blitzte es vor meinem inneren Auge hell auf. Oh Gott, da war doch mal was. Richtig, letztes Jahr gingen wir hier auch in Führung. Nein, nein, nein, ich will nicht darüber Nachdenken! Böses Gedächtnis, pfui, aus! Die Angst vor der erneuten Niederlage war durch den Führungstreffer merkwürdigerweise noch größer geworden. Als hätte ich geahnt, was passiert.

Die schnelle Antwort der Rheinländer

Erst am Tag danach sah ich, wie kurios dieses Tor tatsächlich war, Heinz Müller wollte unglücklich klären und legte sich die Kugel selbst ins Netz. Man muss schon zugeben, dass dieses Tor wie aus dem Nichts kam, denn die wirklich bessere Mannschaft waren wir hier auf gar keinem Fall, anders als vergangenes Jahr war es hier eigenes Verschulden, dass wir ohne Punkte die Heimreise antreten mussten.

Lange ließ eine Reaktion nicht auf sich warten. Die Abwehr flatterte wieder einmal kopflos umher wie ein Hühnerhaufen, keiner fand den Zugriff und als der Ball nach hinten zurück gepasst wurde und Nicolai Müller zum Ausgleich traf, war meine Sorge nicht nur ein dummes Hirngespinst sondern bittere Realität geworden, es war der Anfang vom Ende. Nur 7 Minuten hielt die Führung durch Martin Harnik an, eine äußerst kurze Freude.

Schüttelnde Köpfe. So hatte sich keiner das letzte Bundesligaspiel des Jahres vorgestellt. Es sollte ein positiver Abschluss sein, ein Punktgewinn zur Winterpause, ganz so schlecht wie zwischenzeitlich gedacht war die Hinrunde ja nun auch nicht. Es stand “nur” 1:1, doch da ich, wenn ich schon einmal in Panik gerate, nur noch Schwarz sehen kann, waren Enttäuschung und Frust schon unüberwindbar groß.

Irgendwie habe ich es geahnt

Im Gästeblock wurde weiterhin gegen den Verband gewettert mit deutlichen Worten, “Scheiß DFB!” das wohl am meisten und ausdauerndsten gesungene Lied an diesem Samstag Nachmittag bei verhältnismäßigen Temperaturen im einstelligen Bereich über dem Nullpunkt. Nullpunkt-Atmosphäre machte sich auch beim Spiel des VfB breit.

Viel entgegen zu setzen nach dem schnellen Ausgleich hatten sie nicht. Dafür aber die Mainzer, die schneller, bissiger und in allen Punkten engagierter waren. Die Rheinländer waren im Angriff, als Georg Niedermeier schmerzverzerrt zu Boden ging, aber kein Pfiff ertönte, den der eine oder andere VfB-Spieler erwartet hatte. War das auch der Grund dafür, dass man sich aufs gepfiffene Foul beruhen wollte und nicht energisch genug gegen den Gegner spielte?

Der Niederstrecker lag am Boden, der Ball war im Netz, die Mainzer jubelten, die Stuttgarter protestierten. Zurecht? Schwer zu sagen. Pöbelnd der sich über alle Maßen freuenden Mainzer Gegentribüne zugewandt habe ich den Spielverlauf schon irgendwie kommen sehen. Einen kleinen Funken Hoffnung behielt ich mir dennoch, möge es doch wenigstens zu einem 2:2 reichen.

Ein neues Gemeinschaftsgefühl

Sie schwiegen durchweg, die Mainzer. Nur einmal sangen sie, mit uns gemeinsam. Mehrmals wurde der Gesang “Scheiß DFB!” intoniert, der Gästeblock fing an, die Mainzer Kurve antwortete, das ging mehrmals so hin und her, gegenseitig beklatschte man sich. Nicht die feine englische Art, doch zeugt auch das von einer neuen Solidarität in Fußballdeutschland. Früher hätte es das wohl nicht gegeben, umso wichtiger ist es, in diesem vereinsübergreifenden Thema zusammen zu halten und gemeinsam ein Zeichen zu setzen.

Das sah der Stadionsprecher der Mainzer allerdings etwas anders. Er gab sich vollends der Lächerlichkeit preis, als er betonte “Wir haben mitbekommen, dass ihr eure beiden Teams nicht unterstützen wollt, …”, mehr vermochte ich nicht zu verstehen, zu laut die Buh-Rufe, zu schrill das Pfeiffen, zu vehement der Protest gegenüber dieser Aussage. Er hat die Fans nicht verstanden. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass hier nur der Gästeblock gepfiffen hat.

Dass auf ein gutes Spiel wie gegen Schalke aber allzu oft ein schlechtes folgt, bekamen wir hier nun eindrucksvoll zu sehen. Aufbäumen bei unserer Mannschaft? Fehlanzeige. Mein banger Blick im spitzen Winkel auf die Anzeigetafel über uns, nur noch wenige Minuten waren zu spielen, nachdem der VfB jegliche Gegenreaktion hat vermissen lassen und sich viele schon mit der Niederlage abgefunden hatte. Es bedürfe ein Wunder, hier noch den glücklichen Ausgleich zu erzielen.

Als wäre es nicht schon schlimm genug

Offenbar schienen die Jungs trotz einer ganzen Woche der Regeneration erschöpft und wollten und/oder konnten nicht mehr. Völliges Unverständnis. In der Nachspielzeit kassierte man schlussendlich und leider auch folgerichtig das 3:1. Es ist sehr traurig, das zugeben zu müssen, aber hier war die Niederlage verdient. Vor einem Jahr war es eine unterirdische Schiedsrichterleistung und ein kapitaler falscher Pfiff, das unser Spiel in falsche Bahnen lenkte. Heute haben wir einfach nur schlicht und ergreifend scheiße gespielt.

Das wussten dann auch die Spieler, zumindest würde ich ihnen selbst an solchen Tagen ein gesundes Maß an Selbsteinschätzung zugestehen. Man hatte sich viel vorgenommen, das Engagement und die Leidenschaft aber offenbar bei der Abfahrt nach Mainz am Clubzentrum vergessen. Es hat nicht sollen sein. Interessant zu beobachten, dass sie sogar näher kamen als bis zum Strafraum, wo sie in den letzten Wochen nach Niederlagen oft schnell wieder weg gejagt wurden.

Der enttäuschte Gang in die Kurve, Martin Harnik, der uns gegen Molde den Vogel zeigte, vornedran. Wir klatschten, bedankten uns zwar nicht für eine tolle Leistung gegen heimstarke Rheinländer, sondern vielmehr für eine passable Hinrunde, die mir persönlich einige erfolgreiche Spiele mit toller Stimmung geschenkt hat: Nürnberg, Gladbach, Hamburg, Bremen und Kopenhagen auswärts sowie Moskau, Frankfurt und Schalke daheim.

Was wäre, wenn…?

Ein merkwürdiges Spiel war zu Ende. Wir hatten verloren, das war zwar bitter, aber ist noch einfacher zu verkraften als manch andere Niederlagen, wenn ich nur mal an Hoffenheim, Freiburg und Molde denke. Der Frust saß noch tief, sollte sich einen Tag später aber weitgehend wieder gelöst haben. Dennoch blieb man zurück mit vielen offenen Fragen.

Wäre es für den VfB und die jungen Spieler Antonio Rüdiger (spielte fast durch) und Raphael Holzhauser (nach 68 Minuten ausgewechselt) vielleicht besser gewesen, wenn der Gästeblock Stimmung gemacht hätte? Wäre es von Vorteil gewesen, das Schweigen der Mainzer auszunutzen um uns aus dem Auswärtsspiel ein Heimspiel zu machen? Letztere Frage ist leichter mit “Nein” zu beantworten als die erstere.

Die Unterstützung hätte den beiden jungen Wilden und der gesamten Mannschaft zwar gut getan, doch ging es hier auch, wenn nicht sogar ausschließlich um den Protest gegen das beschlossene Maßnahmenpapier. Ob es ein Kampf gegen Windmühlen wird, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Fakt ist, dass wir nicht tatenlos dabei zuschauen werden, wie uns die Fankultur entrissen wird, wir kämpfen weiter.

Ohne Punkte zurück nach Hause

Minutenlang blieb ich stehen. Meine Beine schmerzten, durch den fast schon überfüllten Gästeblock und ein paar pöbelnde VfB-Fans, die kein Verständnis für die Protestaktion hatten, stürzte ich in beiden Halbzeiten mehrmals zu Boden und prellte mir Knöchel und Schienbein, weiter passiert ist nichts, weder mir noch meiner Kamera, die lediglich ein paar wenig emotionale Motive auf die Speicherkarte schreiben konnte.

Ich fühle mich dennoch grundsätzlich sicher in deutschen Stadien, auch wenn ich nicht leugnen kann, dass es in jedem Verein schwarze Schafe gibt, die für Ärger sorgen. Dafür aber 99% der friedlichen Fans zu bestrafen und sie kollektiv zu potenziellen Verbrechern zu machen, ist heillos überzogen. Bruddelnd zogen wir langsam ab, liefen zwischen den Menschenmassen über den Kartoffelacker zurück zum Auto. Es war eine stille Heimfahrt, eines der weniger schönen Auswärtsspiele der bisherigen Saison. Wir hätten Dritter werden können und waren nun vorerst Achter.

An der Stelle auch nochmal Grüßle an Marco, dessen Frage ich vor dem Spiel trotz meines recht passablen VfB-Gedächtnisses nicht beantworten konnte: wir überwintern nun mit 25 Punkten, 3 Punkte mehr als letztes Jahr und sogar 13 Punkte mehr als in der Fast-Abstiegs-Saison vor 2 Jahren. Ausruhen können wir uns jetzt aber noch nicht, am kommenden Mittwoch erwarten wir noch Köln daheim im DFB-Pokalachtelfinale. Supporten werden die Kölner nicht. Was wir machen, oder nicht machen, wird sich dann zeigen.

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