Besser als das letzte Spiel gegen Weißrussland vor ein paar Tagen war es allemal. Die deutsche Nationalmannschaft konnte das letzte Testspiel vor Beginn der Europameisterschaft in genau einer Woche für sich entscheiden. Wars schön? Nein! Wars wichtig? Allerdings! Wichtig fürs Selbstbewusstsein, um den anderen Mannschaften bei der EM ordentlich Feuer unter den Hintern zu machen.


Mit Teamgeist zum Titel

Zurück zu alten Traditionen, jedenfalls ein letztes Mal bis zu den ersten Länderspielen nach der EM. Gestern schaute ich noch bei meinen Eltern, zur EM werde ich wohl Sportcafes, Kneipen und – sofern dann doch vorhanden – Großbildleinwände aufsuchen.

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Das Spiel in der Zusammenfassung

Leider wird es letzteres höchstwahrscheinlich aufgrund fehlender Sponsoren nicht geben. Fantastische Erinnerungen an das Jahr 2006 kommen hoch, unzählige Menschen auf dem Augustusplatz in Leipzig, wo man sich lachend und vor Freude weinend in den Armen lag und Menschen, die man bis dahin nicht kannte, auf einmal zu den wichtigsten Menschen werden, mit denen man diese großen Emotionen teilt. Was gäbe ich dafür, das in diesem Sommer wieder zu erleben. Aber Jammern nützt ja nix.


Big Boss Ballack

Zurück zum Spiel von gestern. Das Spiel begann mit einem doppelten Schock. Ich schaltete erst etwas spät ein und war erst pünktlich zum Abpfiff vor der Glotze, das Vorgeplänkel und die Hymne, die ich sonst nie verpasse, blieben diesmal zwangsweise aus.


Der Mann für die wichtigen Tore

Keine 20 Minuten waren gespielt, da offenbarte sich unsere große Schwachstelle wie schon im Spiel gegen die Weißrussen: unsere Abwehr wankt und wackelt bedrohlich. Die Innenverteidigung, von der Bildzeitung als “die Brüder Schleich und Schnarch” betitelt werden, war erneut unaufmerksam und ließen Lehmann mit dem Serben völlig allein, der den ohnehin ebenfalls unter Druck stehenden Jens Lehmann auch noch durch die Beine zum 0:1 schoss. Das kann ja heiter werden. Vor mir stand das Abendessen auf dem Tisch – doch plötzlich vergang mir der Hunger.


Oliver Neuville trifft zum 1:1-Ausgleich

Was ich während des Spiels sah, vermochte kaum Freude aufkommen zu lassen. Unsere Jungs hatten zwar mehr Spielanteile, mehr Ballbesitz und mehr Chancen, brachten die Pille aber einfach nicht im Tor unter – dabei haben wir im Sturm sonst nie Probleme, und Ladehemmungen schon gar nicht.


Am besten als Joker

Die Defensive bereitete währenddessen weiterhin Kopfzerbrechen – wie soll das bei der EM funktionieren? Erinnerungen werden wach ans WM-Eröffnungsspiel gegen Costa Rica, wo wir vorne 4 Tore geschossen haben, 2 davon (Philipp Lahm & Torsten Frings) besonders traumhaft schön, hinten bekamen wir jedoch 2 Gegentore eingeschenkt. Auch da wankte und wackelte die Abwehr, die sich im Laufe des Turniers allerdings wieder gefangen hat.


Glückwünsche von allen Seiten

15 Minuten vor Schluss wurde nicht nur ich unruhig, auch die ausverkaufte Arena auf Schalke machte ihrem Unmut mit zaghaften Pfiffen freie Luft. Pfeiffen muss nicht sein, aber gegen Serbien eine Viertelstunde vor Schluss 0:1 hinten liegen ist nicht nach dem Geschmack der in letzter Zeit erfolgsverwöhnten Deutschen.


An die 9 muss ich mich erst gewöhnen

Doch ich glaubte und glaube an Wunder, wie schon das späte Tor gegen Polen bei der WM, das schönste Geburtstagsgeschenk meines Lebens. Der Torschütze des besagten späten Polen-Tores war Oliver Neuville, dessen Nicht-Nominierung für die EM eigentlich relativ klar war. Hervorragende Leistungen in der Saison nach dem Abstieg 2007 und dem direkten Wiederaufstieg 2008 brachten Jogi Löw dazu, ihn doch zu berufen: und Gott sah, dass es gut war! In der 78. Minute traf Oliver Neuville zum 1:1-Ausgleich, nach einer Zuckerflanke von Marcell Jansen stolperte er im Strafraum irgendwie gegen den Ball und mitten ins Tor und die deutsche Glückseligkeit hinein. Spätestens jetzt wissen wir: es war gut, den Nationalmannschafts-Opa doch zu berufen. Der Mann für die späten und wichtigen Joker-Tore. Das bewies der 35-Jährige, der erst wenige Minuten zuvor eingewechselt war, in bester Manier.


Diesmal blieb er glücklos: Mario Gomez

Ein 1:1 ist aber nunmal nur ein Unentschieden. Ein Sieg musste her, alles andere ist nur die halbe Miete. Ein Freistoß aus aussichtsreicher Position ist klare Chefsache. Da trat natürlich der unangefochtene Kaptän, der Capitano, der Chef, der Boss, an: Michael Ballack legte sich die Kugel nur wenige Zentimeter vor der Strafraumgrenze hin, während sich vor ihm die serbische Mauer postierte.


Da steckt ordentlich Bumms dahinter!

Wenn er schießt, ist ordentlich Bumms dahinter. Ob das die Serben geahnt haben? Ungeachtet des Risikos, mit einem prallen Rechtsschuss jemanden zu verletzten, drosch er den Ball mit voller Wucht gegen die Mauer. Wie nennt man das gleich noch…Torschusspanik? Was es auch war, es veranlasste die 2 Serben, die in der Mitte der Mauer standen, genau jene wichtige Zentimeter Freiram zu öffnen, die der Ball brauchte, um neben dem Torwart im Netz einzuschlagen. Standardsituationen sind kein Lieblingsfach der deutschen Nationalmannschaft – aber man sieht: wenn sie etwas zu 1000% wollen, dann erreichen sie das auch, notfalls mit Gewalt und ohne Rücksicht auf Verluste. Ob die beiden Serben in der Nacht gut schlafen konnten?


Mit voller Wucht zum 2:1!

Nur noch wenige Minuten zu spielen, nach einem desaströsen Spielstart und dem lange andauernden Gefühl, dass diese Nummer unter Umständen doch schief gehen könnten, drehten die Titelaspiranten das Spiel. Einen letzten Angriff der Serben galt es noch 30 Sekunden nach Ablauf der 3-minüten Nachspielzeit mit Herzrasen zu überstehen, bis endlich der erlösende Schlusspfiff des Schiedsrichters zu vernehmen war. Das letzte Testspiel vor der EM endet glücklich, aber doch hochverdient mit 2:1.


Jetzt kann die EM kommen!

Ich freue mich nun auf die EM, in bester Hoffnung, dass sich unsere Abwehr schnell fängt! Mein Optimismus ist groß, ebenso wie die Vorfreude auf die 2 Spiele, die ich live erleben werde: Österreich-Deutschland und das Viertelfinale mit deutscher Beteiligung. Die EM kann kommen! Und auf einmal schmeckte auch das Abendessen wieder!

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