Wir haben ganz, ganz großes Kino gesehen! Nicht, weil das Spiel so berauschend toll war und auch nicht, weil ein nackter Flitzer übers Spielfeld gerannt ist, sondern weil gestern Abend unsere deutsche Fußballnationalmannschaft gezeigt hat, das man mit einem großen Siegeswillen und breiter Brust sogar die Engländer bezwingen kann: Und das auf deren heimischen Boden mit einer fast komplett neuen Mannschaft, die in ihrem Leben noch nie zusammen gespielt haben und wahrscheinlich auch nie wieder zusammen spielen werden.
Ein skeptischer Bundestrainer Jogi Löw vor dem Spiel
Auch heute noch bekomme ich das breite Dauergrinsen nicht aus meinem Gesicht heraus. Ein Lächeln, geprägt von unglaublich großem Stolz und voller Respekt für diese Jungs! Da würfelt man einen komplett neuen Haufen zusammen und sie siegen – diesmal sogar entgegen ALLER Prognosen. Das muss man erst einmal als B-Elf hinbekommen! Liebe Jungs, lieber Jogi, wir sind sooo stolz auf euch!
Der schnelle 1:0 Rückstand nach nur 9 Minuten durch Frank Lampard
Aber erzählen wir von Anfang an. Dies war das Eröffnungsspiel im neuen Wembley-Stadion in London. Für die Statistik-Tiere unter euch: Das letzte Spiel im alten Stadion hat Deutschland ebenfalls gegen England gewonnen. Und so schließt sich der Kreis. Die Bilanz von den Begegnungen beider Mannschaft ist etwa ausgeglichen, wobei England bisher ein paar mal öfter siegte als Deutschland.
Kurioser Ausgleich durch Kevin Kuranyi
Ein bisher nie dagewesenes Verletzungspech machte uns allen insgeheim Angst. Klar, wenn jemand fragt, sagt man, man sei von einem Sieg der Deutschen trotzdem überzeugt. Aber im Inneren legten wir alle unsere Stirn in Falten – ob das gut gehen kann, wenn fast alle Stammspieler verletzt sind? Auch ich hatte große Sorge um dieses Spiel.
Christian Pander klärt gegen David Beckham
In Gedanken war ich trotzdem bei meinen Internetbekannten von www.tooor.de, denn über 130 User waren gestern Abend live im Stadion. Und wie inständig ich gehofft hatte, das dieses Spiel nicht zu peinlich für uns enden würde, ich hoffte auf ein gutes Spiel, denn viele haben viel Geld für dieses Spiel ausgegeben, was einmal mehr sensationelle Geschichte geschrieben hat.
Starker Auftritt von Christian Pander…
Doch es wurde nicht peinlich – im Gegenteil! Ein leider nicht ganz ausverkauftes, neues und hochgradig modernes Stadion (knapp 85.000 von 90.000 Plätzen waren belegt) bot Schauplatz für den alten Klassiker Deutschland gegen England. Engländer sind begeisterte Fußballfans, das weiß eigentlich jedes Kind. Doch was sich auf englischer Seite auf den Tribünen abspielte war einfach nur schwach. Wo waren die Fangesänge und Chöre? Wo die hopsenden Massen, die ihre Mannschaft bis zum Limit treiben? Oh, es gab sie. Aber ausschließlich im deutschen Fanblock, der neben der deutschen Rumpfelf der größte Gewinner des Abends war. Mit knapp 5.000 Plätzen war der deutsche Fanblock wie in Stadien üblich eher klein ausgefallen, doch wir machten stets die meiste Laune. Ununterbrochen sangen wir. Und ich spreche von “wir”,auch wenn ich nicht einmal dabei war. Was hat der Nationalstolz nur aus uns gemacht. Seht ihr, schon wieder.
…der uns durch ein Traumtor wieder in Führung bringt!
Das Spiel habe ich mir wie üblich in der elterlichen Wohnung mit meinem Vater angesehen, wie schon zuletzt das Spiel gegen San Marino, gegen die Slowakei war ich ja live in Hamburg (geil wars!). Zum ersten Mal kam auch mein wunderschönes Deutschland-Trikot zum Einsatz, welches ich mir nach dem letzten Länderspiel während der 3-einhalb-monatigen Sommerpause gekauft hatte. Äußerst hibbelig und die Unruhe in Person rutschte ich auf der Couch meiner Eltern herum, nicht in der Lage, auch nur eine Sekunde still zu sitzen.
Was für ein starkes Nervenkostüm! Danke Christian!
Es war kein gutes Omen, das England bereits nach 9 Minuten in Führung gegangen ist. Oh, wie tat das weh. Und ich glaube, alle, die dabei waren, werden mir beipflichten: PANIK! Zumal unsere Nummer Eins Jens Lehmann dabei überhaupt nicht gut aussah – nicht sehr förderlich für ihn, wo er ja neulich bei Arsenal im Tor gepatzt hat. Okay, den Angstschweiß von der Stirn wischen und weiter gehts! Auf gehts Deutschland, schieß ein Tor! So klang es nicht nur dauernd aus dem genialen Deutschland-Block.
Lass dich feiern, Junge. Du bist unser Held.
Zu Beginn des Spiels übrigens eine ganz große Geste! Die obere Haupttribüne bildete mit Farbplakaten den Schriftzug “Danke für 2006”, und während den Hymnen gab es eine endgeile Choreographie! Jeder im Deutschlandblock bekam eine farbige Plastiktüte, entweder in Schwarz, Rot oder Gelb. Während der eigenen Hymne wurden diese so hochgehalten, das daraus die Flaggen der jeweiligen Länder entstanden. Ganz, ganz großes Kino! Ich wäre da gern dabei gewesen.
So wie Angie hab ich auch geguckt…
Die ersten 20 Minuten des Spiels kann man sich getrost schenken – so wie unsere Jungs gespielt haben, habe ich nie erwartet, das es doch noch im Sieg endet. Ein totales Durcheinander im Mittelfeld, keine Bälle bis vor zum Angriff und viele Abstimmungsfehler in der Abwehr – gruuuuselig! Doch dann fanden auch unsere Jungs ins Spiel.
Und auch ein Danke an die geilsten Fans der Welt!
Dank eines Torwartfehlers von Paul Robinson (der sich ja schon so manchen Schnitzer geleistet hat), der Kevin Kuranyi den Ball direkt vor die Füße gelegt hat, wie auf dem Silbertablett serviert, konnte Deutschland dann in der 26. Minute den Ausgleich erzielen. Ein kurioses Tor, Pech für Robinson, Englands Schande. Geh in die Ecke und schäm dich. Wenn du uns suchst, wir sind in euren Pubs und feiern eure Dummheit! Hehe! Nein, kleiner Scherz. Glück für uns, mehr nicht.
Das neue Wembley-Stadion
Danach ging aber wieder das Zittern weiter, England hatte eine riesen Chance nach der anderen, alle verfehlten sie entweder das Tor oder wurden von Lehmann am Jubeln gehindert. Meine Fingernägel kaute ich gestern bis auf den Ansatz ab, so nervenzerfetzend war dieser Krimi. Und da ich bei großer Nervosität zum vielen Wassertrinken neige, musste ich mich entsprechend zusammenreißen. Als ich auf der Toilette war, wartete ich regelrecht darauf das mein Vater entweder “Jaaaa!” oder “Scheissäääääää!” brüllt. Aber es blieb aus, ich verpasste nichts.
Zum Immerwieder Anschauen und Schwärmen…
Zum Helden des Abends avancierte kurz vor der Pause der zweite Schalker im Team: Christian Pander. Er fiel mir schon durch seine guten Leistungen im Verein auf, kein Wunder also, das Jogi ihn nachnominierte, als Clemens Fritz auch absagen musste. In der 42. Minute bekommt er von Philipp Lahm (der bei Bernd Schneiders Auswechslung lustigerweise die Kapitänsbinde bekam) von rechts vor die Füße gelegt, dreht kurz ab und versenkt die Kugel aus 20 Metern mit bombastischen 104 km/h ins obere Eck. Ein Tor zum Zungeschnalzen. Was für ein Einstand, denn Christian wurde zum ersten Mal für die A-Nationalmannschaft nominiert, stand in der Startelf und erzielte sein erstes Länderspieltor im ersten Spiel – das hat aber vor nicht all zu langer Zeit schonmal jemand unserer jungen Wilden geschafft: Mein Lieblingsspieler Mario Gomez, der wegen einer Oberschenkelzerrung nach wie vor passen muss.
Meinen allerhöchsten Respekt vor diesen Jungs!
In diesem Moment war die ohnehin schon euphorische gute Laune im deutschen Block geradezu explodiert – zumindest würde ich mir das denken, und laut den Fernsehbildern und dem eindrucksvollen Geräuschpegel, den man durchs Fernsehen vernahm, behalte ich Recht. Eine Jubeltraube von Rot und Schwarz – unsere Auswärtsfarben – bildete sich rund um den jungen Helden, ich freue mich so sehr für ihn. Er hat das richtig Klasse gemacht – eben ganz, ganz großes Kino. Achja, ich glaube, ich habe noch nie SO LAUT bei einem Tor für uns meine Freude herausgeschrieen. Das Fenster war angekippt, würde mich nicht wundern,wenn alle, die das Spiel in Leipzig nicht gesehen haben, dann gewusst hätten, das Deutschland wohl in Führung gegangen ist.
Man wird uns jetzt nie wieder unterschätzen
Die zweite Halbzeit sollte in erster Linie dem Ergebnis sichern dienen, was ja dann auch gut geklappt hat, auch wenn uns die insgesamt sehr schwachen Engländer noch einmal ordentlich auf die Pelle rückten. Die Abwehr, in Gemeinschaftsarbeit mit Lehmann, hatten allerdings alles gut klären können, wenn die Engländer mal nicht zu blöd waren. Owen schaffte es sogar, das leere Tor direkt vor ihm nicht zu treffen. Ich nehme an, heute musste er dafür ordentlich bluten.
Glücksbringer: Jürgen Grins…äh..Klinsmann
Selten war ich so glücklich und begeistert nach einem Spiel. Von den Jungs bin ich jedoch 24 Stunden am Tag begeistert. Das Tolle an uns wird immer ersichtlicher: Egal, wie du spielst, egal, wie viele neue Leute du reinstellst – es wird immer schwerer, gegen uns gewinnen zu können. Nochmal für die Statistiker: In der Ära Jogi Löw, die im Juli 2006 begonnen hat gab es bisher nur ein Unentschieden in Zypern und eine Niederlage im bedeutungslosen Testspiel gegen Dänemark. Das letzte Mal nach der WM 2006 hatte ich solche Glücksgefühle beim 13:0 gegen San Marino und als ich live in Hamburg dabei war.
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Die Highlights in der Zusammenfassung!
Minute 4’45 könnte ich mir den ganzen Tag anschauen…
Und auch jetzt prägt ein dickes Grinsen immernoch mein Gesicht. Diese Jungs kann man nicht aufhalten. Erst recht nicht mit diesen Fans. Und deswegen grinse ich so, denn was Jogi Löw (und Ex-Bundestrainer Jürgen Klinsmann – der gestern auch dabei war) aus dieser Mannschaft gemacht haben, ist das, woraus die Träume der Fußballfans sind. Eine Mannschaft, die man nicht aufhalten kann – und die man jedes Mal mehr und mehr unterstützen will.
Ich wiederhole mich, aber ich sags gerne noch einmal: Jungs, ich liebe euch! Und zwar abgöttisch. Jeden einzelnen von euch.
33 Jahre, gebürtig aus Leipzig, seit 2010 wohnhaft in Stuttgart – Bad Cannstatt. Dauerkartenbesitzerin, Mitglied, ehemalige (Fast-)Allesfahrerin und Fotografin für vfb-bilder.de. Aus Liebe zum VfB Stuttgart berichte ich hier von meinen Erlebnissen – im Stadion und Abseits davon.
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