Deutschland - Argentinien

Das ist einfach unglaublich, die schwarz-rot-geile party in Deutschland geht weiter. Nach einem Spiel wie ein spannender Krimi haben wir nach dem gestrigen Spiel gegen Argentinien die Erben von Diego Maradona nach Hause geschickt. Wahnsinn. Besser gehts nicht.

Der Tag begann wie schon am Dienstag, den 20. Juni, als Deutschland gegen Ecuador antrat und die Truppe erfolgreich die Gruppenführung übernahm. Ich arbeitete wieder nur halbtags, ging dann mit meinem Kollegen Peter Mittag essen und traf mich am frühen Nachmittag dann mit meinem Kumpel Thomas, der schon beim Spiel Deutschland gegen Schweden dabei war. Dabei war aber wohl mehr Mitleid als Lust dabei, denn ich hatte den Abend zuvor niemanden, der mit mir hingeht. Ein Anruf bei Thomas und meine bemitleidenswerteste Stimme reichten aus, um ihn zu überzeugen. Ich wäre zwar auch alleine gegangen, aber das wäre nur halb so schön gewesen. Zuerst gings zu Saturn, Notkarte für die Kamera kaufen mit 256 MB für 15 Euro. Gutes Geschäft. Dann gings erstmal zum Relaxbereich hinter der Oper Leipzig, der erwartungsgemäß sehr leer war. Gut so, denn ich wollte mir in Ruhe mein Gesicht mit Fanschminke anmalen. Diesmal gabs wieder 2 Herzchen in Deutschlandflaggenform auf die Wangen.

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Dann gings auch gleich weiter vor, zum Augustusplatz, wo es schon derart vollwar, dabei waren es noch über 2 Stunden bis Anpfiff. Das werden jedes Mal mehr Leute hatte ich das Gefühl. Ich versuchte bevor wir reingingen vergeblich, die eingeschweißte Verpackung der SD-Karte aufzukriegen. Erfolglos. Das rächte sich dann später. Aber dann gings erstmal rein, und wider Erwarten musste ich die Stange meiner Fahne abgeben – unerhört. Ohne Flagge kann man doch keine Stimmung machen. Naja, die Flagge selbst durfte ich mit nehmen aber den Stock musste ich draußen lassen. Nach der anfänglichen Frustration über die Stockabgabe beruhigte ich mich wieder und Thomas und ich suchten uns ein hübsches Plätzchen und geduldeten uns brav bis zum Spielbeginn, der traditionell mit enthusiastisch lautem Gebrüll begann.

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Es war aber keinesfalls so einfach wie gegen Schweden, das war von vornherein klar. Aber wieder gegen Argentinien verlieren wie bisher jedes mal seit der Weltmeisterschaft 1990? Nein, dazu sind wir zu stark und auch die Fans stehen dazu viel zu sehr hinter den Klinsmännern. Alle hofften, alle drückten die Daumen und wir beteten alle zu dem Fußball-Gott, er möge den Sieg den Heimspielern schenken. Und der Fußballgott war gnädig. Er zeigte sich zwar erst spät, aber er reagierte noch rechtzeitig.

Es war eine Zitterpartie, bei der die Nerven der Fans und mit Sicherheit auch die der Nationalspieler und am meisten wohl die von Jürgen Klinsmann blank lagen. Es war ein völlig ausgeglichenes Spiel, und obwohl Argentinien mehr im Ballbesitz war, waren wir dennoch nicht völlig machtlos. In der 49. Minute passierte es dann… Ein Tor für Argentinien. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen. Ob Deutschland noch aufholen kann…? Zugegeben, wenige haben danach noch dran geglaubt. Ich hatte noch Hoffnung, aber viel davon war schon verschwunden. Wir alle auf dem Fanfest auf dem Augustusplazu (ja, ich weiß, ich bin in der Hinsicht wohl doch etwas masochistsch veranlagt) waren schockiert, die Stimmung nahe dem Nullpunkt. Hier und da noch ein paar wenige Fanchöre mit “Scheissegal, Scheissegal, Scheissegal”, aber viel war nicht los. Überall blasse Gesichter, kaum noch schwenkende Fahnen. Zum ersten Mal in dieser WM haben wir mit einem Rückstand zu kämpfen, bisher haben wir immer die Nase vorne gehabt. Aber spätestens dieses Spiel hat gezeigt, das wir durchaus unsere Schwächen haben, aber wir spielen weltmeisterlich und mit dieser Konstellation holen wir den Pokal nach Hause, wo er bei dieser enthusiastischen Unterstützung im Land auch hingehört.

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Die Argentinier ließen uns einfach nicht zum Zuge kommen, es gab nicht genug Torchancen. Die Spiele zuvor, wo Miroslav Klose, Lukas Podolski und Philipp Lahm eine so gute Leistung gebracht haben, dieses mal krochen die auf dem Zahnfleisch, es war ein hartes, brutales Spiel mit einigen unschönen Fouls, aber nur gelbe, keine gelb-rote oder rein rote Karte. Der Schiedsrichter hat gut gepfiffen, ein sehr neutraler Mensch. Die Uhr tickte… Bis zur 80. Minute mussten wir noch durchhalten, und dann passierte es endlich: Ausgleich für Deutschland durch den klosartigen Klose. Er war sichtlich den Tränen nahe, umarmte Lukas Podolski, seinen Traum-Sturm-Duo-Partner. Super-Miro, alias King Knall, rettete uns damit in die Verlängerung, sonst wäre 10 Minuten später alles vorbei gewesen. Auf den Rängen im Berliner Stadion gab es kein Halten mehr, aber auch in ganz Deutschland, egal ob offizielles Fanfest oder der heimische Fernseher: Überall jubelnde Menschen, die die Nation erbeben ließen.

Verlängerung bedeutete für uns nochmal 2 mal 15 Minuten drauf. Auch da passierte nichts mehr. Ein sehr hitziges Spiel nach wie vor, niemand wollte verlieren, beide große Fußballnationen. Dann der Abpfiff und die Gewissheit zum Elfmeterschießen. Kurz vor Beginn des Elfmeterschießens sah man einen mit den nerven völlig fertigen Jens Lehmann, dem gings bestimmt schön im Arsche rum, so meinte zumindest meine gestrige Begleitung Thomas. Dann gab es die wohl größte Geste dieser WM zu sehen: Oliver Kahn, bisher die Nummer Eins saß die ganze WM auf der Bank, ging hin zu Jens Lehmann, legte im motivierend den Arm um die Schulter, wünschte ihm viel Glück und gab ihm kumpelhaft die Hand. Eine Szene, die unter die Haut ging und für Jubel überall in Deutschland sorgte.
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Dann gings aber wirklich los mit dem Elfmeterschießen. Deutschland zwischen Atem anhalten und Anfeuerungsschreie. Unser erster Schütze: oliver Neuville, der seit dem 1:0 gegen Polen mein persönlicher Held ist, da er mir mit dem Tor das schönste Geschenk zum 20. Geburtstag gemacht hat. Er trifft. Danach trifft Argentinien auch, nur knapp, es fehlte Jens Lehmann vielleicht an 5 Zentimetern. Danach trifft Ballack. Jens Lehmann hält einen argentinischen Ball. Lukas Podolski trifft, Argentinien danach auch, Tim Borowski Fußballgott-sei-Dank auch. Dann der letzte Ball, der über Erfolg und Niederlage entscheidet. Argentinien ist am Zug. Diejenigen, die auf dem Fanfest die Luft angehalten haben, haben nur noch in voller Lautstärke “LEHMANN!!! LEHMANN!!! LEHMANN” gebrüllt, auch ich übrigens.

LEHMANN HÄLT. DEUTSCHLAND IST IM HALBFINALE!
SCHADE, DIEGO, ALLES IST VORBEI!
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Es ist geschafft, die Schwarz-rot-geile Wahnsinnsparty in Deutschland kann weitergehen.

Lehmann begibt sich sofort in die Arme seiner Mitspieler, und auch hier ist lustigerweise David Odonkor der erste, der ihn anspringt. Danach springt einfach der ganze Haufen auf ihn drauf, man sieht nur noch weiß und schwarz. Klinsmann versucht auch, an Lehmann ranzukommen, schafft es aber nicht, weil alle andren Spieler schond auf ihm draufzuliegen scheinen. Ein Bild für die Götter.

Als sich auf dem Leipziger Fanfest noch alle in den Armen lagen und sich überschwänglich freuten, gab es bereits eine Rangelei auf dem Spielfeld. So ganz habe ich nicht mitbekommen was passiert ist, aber BILD.de schreibt folgendes im Liveticker:

Der argentinische Ersatzspieler Leandro Cufre tritt Per Mertesacker mit gestrecktem Fuß brutal in den Unterleib. „Merte“ fällt um, wälzt sich auf dem Boden. Sagt BILD hinterher: „Ich wollte mit Jens Lehmann jubeln. Da hat mich einer aus heiterem Himmel sehr unschön niedergestreckt.“

Sofort Rudelbildung. Mittendrin: Metzelder, Huth, Klose, Trainer Pekerman, die DFB-Sprecher Stenger und Voigt. Maxi Rodriguez springt mit erhobener Faust ins Gewühl, schlägt um sich. Frings: „Die sind ausgerastet. Absolut unfair und schlechte Verlierer!“

Oliver Bierhoff rennt zum Tatort, wird von Heinze und Torschütze Ayala gejagt, getreten und angebrüllt. Schweini bändigt seinen Teammanager mit beiden Armen.Bierhoff: „Cufre hat Mertesacker umgetreten. Ich bin dazwischengegangen, um unsere Spieler zu schützen, aber nicht handgreiflich geworden. Ich mußte mir übelste Beschimpfungen wie ‚Hurensohn‘ und ‚Scheißkerl‘ anhören. Die Argentinier haben die Grenzen der Fairness weit
überschritten.“

Kapitän Ballack: „Die Provokationen gingen von denen aus. Die wollten mit spanischen Sprüchen unsere Schützen nervös machen.“ Klappte nicht. Nach dem letzten Elfer wollte sich Cufre offenbar an Borowski rächen. Und trat Mertesacker um. Der ist ebenfalls lang und blond…

Nach drei Minuten ist der häßliche Spuk vorbei. Schiri Michel zeigt Cufre nachträglich Rot!

Und jetzt werden in Deutschland die Stimmen nach dem Weltmeistertitel immer lauter, wir haben jetzt auch die Unterstützung von denen, die nicht einmal an das Überstehen der Vorrunde geglaubt haben. Deutschland seit allen Spielen von Anfang an ungeschlagen. Das gabs noch nie in der WM-Geschichte, und das gilt generell, nicht nur für unsere Götter in schwarz-weiß. Ganz Deutschland feiert eine riesige Party, dieser Sieg ist zu schön um wahr zu sein.

Nach ungefähr 5 Minuten Feiern auf dem Augustusplatz wollten auch wir wieder gehen, ich suchte am Ausgang vergeblich die Stange meiner Fahne. Ich fand sie nicht wieder. Jemand anderes hat sie bestimmt mitgenommen. Und da habe ich mir einfach irgendeinen anderen Stock genommen. Die Straßen waren erwartungsgemäß überfüllt, man musste mehr als brüllen, um verstanden zu werden. Thomas und ich schlabberten noch ein Eis, bevor wir uns auf dem Weg zum Hauptbahnhof machten. Vor dem Bahnhof übrigens eine schöne Szene mit gewaltigem Autokorso, das hat man noch nicht gesehen. Davon habe ich auch ein Video aufgenommen, was ich im Nachhinein aber nicht hätte tun sollen. Denn das Video machte meiner Speicherkarte den Garaus: Karte voll. Und ich hab die andere Verpackung nicht aufbekommen: Scheisse.

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Wir zwei fuhren dann im Autokorso zu mir nach Hause, wo er mich in der Nähe der elterlichen Wohnung rausließ. Ich ging dann noch zu meinen Eltern, feierte mit denen noch ein bisschen und machte mich dann barfüßig auf den Heimweg. Immernoch ganz aufgedreht von dem sensationellen Sieg.

Abends war ich nicht im Stande, den Bericht zu verfassen, deswegen bekommt ihr ihn erst heute.

Ich bin mir sicher, das es immer schwerer sein wird, uns aufzuhalten. Unsere Jungs holen den Titel nach Hause, da bin ich mir sicher. Und mit der Unterstützung im eigenen Land kann das ja nur gutgehen.

IHR SCHAFFT DAS, JUNGS!

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