Deutschland - Polen

… und ich war mittendrin!!!

Was war das für ein grandioses Erlebnis, das werde ich ganz sicher niemals vergessen.

Wie ihr ja im vorhergehenden Blogartikel gelesen habt, hatte ich gestern Geburtstag. Aber zu hause sitzen und nichts tun? Quark! Wie gelegen kam mir da das WM-Spiel Deutschland gegen Polen, Anpfiff 21:00 Uhr abends. In Leipzig steigt als eines der WM-Städte in Deutschland natürlich eine riesen Party. Die größte davon ist das FIFA FAN FEST, auf dem Leipziger Augustusplatz.

Schon einige Tage vorher suchte ich HÄNDERINGEND nach einer Person, die mit mir mitkommt auf den Augustusplatz, um das Spiel zu sehen, mitten in den Menschenmassen. Die meisten haben abgesagt, weil keine Lust oder keine Zeit. Ich dachte, mein Kollege Peter wäre der letzter Rettungsanker gewesen. Doch als er am abend zuvor abgesagt hatte weil er ein wichtiges Volleyballspiel hat, weigerte ich mich zu glauben, das es das gewesen war. Mir fiel noch jemand ein: Mein alter Freund Kris, den ich damals 2002 im GIGA-Chat kennenlernte und wir uns erstmals August 2002 auf der Leipziger Games Convention trafen. Das letzte mal gesehen haben wir uns vor 3 Jahren, meinte Kris. Das kommt mir zwar arg zu lang vor, aber naja. Ich schuldete ihm außerdem noch ein Eis. Also simste ich ihn an und er sagte mir schon mit hoher Wahrscheinlichkeit zu. Und ich konnte mich ganz beruhigt schlafen legen.

Der nächste Morgen begann natürlich mit vielen Geburtstagsgrüßen per SMS und auch mein Kumpel Thomas rief an, um mir persönlich zu gratulieren. Naja, sofern man das Telefon als persönlich bezeichnen kann. Auch die Kollegen gratulierten mir fleißig, aber was ich eigentlich hauptsächlich im Kopf hatte war das WM-Spiel. Mit einer großen Fahne im Rucksack und ein Deutschland-Top zum Wechseln wartete ich eigentlich nur noch drauf, das die Uhr 17:00 Uhr schlägt und ich den Stift hinschmeißen kann.

Zum Nach Hause gehen war keine Zeit mehr. Ich traf mich 18:00 mit meinem Kumpel Kris in der Nähe des Augustusplatzes, überall waren schon viele spanische und ein paar wenige ukrainische Fans zu sehen. Wie mir berichtet wurde, hat Spanien gegen Ukraine 4:0 gespielt. Krass. Wir liefen erst ein bisschen rum, schauten mal kurz auf den Augustusplatz in den abgesperrten Bereich wo dann die Fans das Spiel verfolgen. Es war noch leer. Hm. Wären wir dann reingegangen, wären wir nicht mehr rausgekommen. rausgekommen schon, aber danach nicht wieder rein. Und da man am Eingang alle Getränke abgeben muss, haben wir uns gesagt “Ne, Danke, wir gehen später rein”. Nach ein bisschen “Rumsitzen-Und-Warten” und meinerseits “Scharfe-Spanier-mit-sexy-nacktem-Oberkörper-begaffen” entschieden wir, das ich mein versprechen bezüglich des Eisessens einlöse und sind dann mit kleinen Umwegen zur Eisbar Pinguin in der Nähe des Marktplatzes gegangen. War sogar draußen noch was frei. Wir bestellten uns Spaghettieis was überraschend schnell gebracht wurde und plauderten über alles mögliche. Danach gings wieder zurück zum Augustusplatz. Zwischendurch noch ein paar Fotos von Fans gemacht. Kris wollte unbedingt so eine Riesentröte haben, aber da er kein geld dabei hatte, hatte ich ein Herz für arme Fußballfans und kaufte ihm eine gottverdammte Tröte. Wir sind dann auch gleich rein, haben unsre Getränke abgegeben und uns noch eines von wenigen freien Bodensitzplätzen gesucht. Am Eingang wurde uns ein kleines Heftchen mit Schminke in die Hand gedrückt. Man muss mit angefeuchtetem Finger die farbe verreiben und dann auf der Haut auftragen. Hörte sich nach viel Rumgesabber und Dreckpfoten an. Und das war es auch. ich verpasste Kris zuerst die Flagge auf die Bagge und dann umgedreht, nach dem ich noch mehr Nachschub besorgt hatte. Das Spiel Saudi-Arabien gegen Tunesien haben wir uns noch zu Ende angesehen, schon überall deutsche Fans, die auch für Saudi-Arabien gejubelt haben. Das nenn ich klasse.


Gute Stimmung auf dem Augustusplatz

Streng kontrollierte Durchgänge – aber jetzt gehts endlich hinein in die Menge!

Kris’ Kriegsbemalung…

…und meine!

Es war nun grade mal kurz nach 19 Uhr, und man hatte beim Sitzen kaum mehr Beinfreiheit. Aber es war natürlich noch gar nix zu dem, was anderthalb Stunden später war. Als das Vorgängerspiel zu Ende war und sich die Moderatoren des Fan Festes, die wohl mehr Animateure und Motivatoren waren, zu Wort meldeten und den Countdown einleiteten, fingen die Leute plötzlich an, aufzustehen. Sicht gleich Null. Also mussten wir es unseren vorderen Nachbarn gleichtun. Teil des Countdowns war eine Art Gesangswettbewerb mit 5 Teams, 1 spanisches Team, der Rest aus Deutschland, größtenteils nur Sachsen. Es waren natürlich echte Dauerbrenner, die dort gesungen wurden: “54, 74, 90, 2006” von den Sportfreunden Stiller, “Schwarz und Weiß” von Oliver Pocher, “We will rock you” von Queen, “Country Roads” von…ja…ich kenn nur die Version von Hermes House Band und “Three Lions” (??) von Lightning Seeds. Bombige Stimmung. Ich hab auch mitgegrölt. Naja, zumindest solange ich den text kannte. Danach wurde per Applausstärke bestimmt, wer gewonnen hat. Mein persönlicher Favorit, “Country Roads” hat gewonnen. Sehr schön. Dann kam noch ein Besucher. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung. Er wurde leider von einem Großteil der Menge ausgebuht. Wie peinlich, vor allem in der eignen Stadt. Was natürlich mit dazugehört, ist natürlich das kollektive Brüllen nach Aufforderung durch den Moderator. Der meinte, das alle anderen Fan Feste in DIESEM MOMENT nach Leipzig schauen, und er bat uns, mal ganz leise zu sein. Als die Verbindung angeblich stand, legte wir los. Ich wurde fast taub. Meiner Nachbarn von meinem Gebrüll aber bestimmt ebenso, hehe. Das ging dann die ganze Zeit so weiter, bis es endlich soweit war. T-Shirts und anderer Kram wurde auch verteilt, mit einer riesigen Schleuder. Eines davon direkt in meine Richtung. Fang ich es, fang ich es, fang ich es… Nein! Leider nicht. Kris hats gefangen,der Glückliche.

Kurz vor 21 Uhr. So lange drauf gewartet und dann war es endlich soweit. Zunächst wurde die Mannschaftsaufstellung auf der Riesen Leinwand gezeigt. Kollektives Gebrüll, lauter Jubel und hysterisches Kreischen bei Michael Ballacks Bild. Ich hab mitgekreischt. Ballack ist ja sowas von heiß. Dummerweise etwas zu alt, zu weit weg, zu vergeben und zu sehr ein Familienvater. Scheisse. Aber trotzdem heiß. Da kann man sagen was man will. Naja, der Lahm gefällt mir ja auch. Sieht meinem Ex-Schwarm nur leider viel zu ähnlich. Mag ich ihn vielleicht deshalb? Hm, ich weiß es nicht. Ich habe kaum was gesehen, aber als die Nationalhymne angestimmt wurde, war das nicht zu überhören. Da ich nicht den ganzen Text kenne (muss ich ändern bis zum nächsten Fan Fest auf das ich gehe), konnte ich nur die ersten paar Zeilen mitsingen. Wie emotional. Überall Gejubel, wohin man auch blickt und hört. Anpfiff. Die Stimmung wurde besser und besser. Dauernd waren Fanchöre zu hören “Woooo bleibt denn das eiiiins zu nulllllll” oder “hinein! hinein! hinein! hinein!”, sehr beliebt waren auch “Finaaaaaleeee, ohoooohooo” aber am meisten gehört habe ich wohl “Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!!”. Von der ersten Halbzeit habe ich gelinde gesagt recht wenig mitbekommen, denn mir wurde die Sicht von einfach zu vielen zu großen Menschen versperrt. Ich hätt sooo kotzen können sag ich euch. Als dann endlich die Halbzeitpause war (immernoch 0:0) und viele ihre Plätze wechselten oder mal aufs Klo wollten von dem vielen Bier was gekippt wurde, sind Kris und ich weiter vorgeprescht und haben uns bessere Plätze gesucht. Es waren zwar keine erhöhten Plätze oder sogar luxuriöse Sitzplätze (wem war schon bei diesem Spiel zum Sitzen zumute…) aber es waren keine großen Köppe vor mir und ich hatte gute Sicht für den Rest des Spiels.

Endlich zweite Halbzeit. Sämtliche Gliedmaßen schmerzten vom vielen Stehen, aber was tut man nicht alles mit stolzem Patriotismus. Nur nicht aufgeben. Es war einfach nicht zu glauben, wie spannend dieses Spiel war, es lässt sich nicht in Worte fassen. Unsere Jungs hatten eine Chance nach der anderen, haben diese aber entweder selbst verbaut oder konnten sie nicht richtig nutzen. Die Polen sind ja so hinterhältig. Alle paar Sekunden ist jemand gestürzt hatte man das Gefühl. Die allertraurigste Szene der zweiten Halbzeit war meiner Meinung nach die Szene, in der 2 Mal hintereinander von Miroslav Klose und Michael Ballack die Latte getroffen wurde. Dann hat man den Ball zwar doch noch ins Tor bekommen, aber der dumme spanische Schiri mit den spanischen Tomaten auf den Augen hat bereits abgepfiffen. Ungültig. Scheisse. Im Dortmunder Stadion schaute sich unsere Bundeskanzlerein Angela “Angie” Merkel das Spiel an. Hat sich schon gefreut als der Ball reinging, ihr musst aber erst gesagt werden, das es ungültig ist. An das genaue Spiel kann ich mich kaum noch erinnern. In der Zwischenzeit habe ich fleißig Videos gedreht von den Anfeuerungsschreien der vielen Deutschland-Fans auf dem Platz. Das hätte ich aber lieber nicht machen sollen. Denn mir wurde dann leider klar, das meine Speicherkarte voll war. Scheisse. 1 GB voll. Aber trotzdem. Ich habe weiter das Spiel verfolgt, habe aber trotzdem nicht alles so gut mitbekommen. Ich war eher fixiert auf die kollektive Wahnsinnsstimmung, die immer mehr brodelte. Ungefähr 15 Minuten vor Schluss wurden alle mehr als nervös. Aber das polnische Tor war wie zugenagelt, so ein Mist aber auch. Klinsmanns Gesichtsausdruck versteinerte auch zusehendst, was man ihm ja nicht verdenken kann. 90. Minute, noch ein wenig Nachspielzeit. Mittlerweile hat Klinsi, Trainer der Nation, den kleinen Kampfzwerg Oliver Neuville (für Lukas Podolski) und das Laufwunder David Odonkor (für Arne Friedrich) eingewechselt – und erwies sich damit als Trainer mit dem goldenen Wechselhemdchen. Fällt noch ein Tor? In der 90. Minute glaubte ich nicht mehr dran, aber ich hab ja auch nicht mitbekommen, wie lange die Nachspielzeit ist. In der 91. Minute (oder?) passierte es dann: Flanke von Odonkor, Neuville direkt von vorne Richtung Tor, und das Ding ist drin. Die Erde bebte. Alles jubelt und schreit. Es war unbeschreiblich. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich habe noch so halb mitbekommen, wie ein selbstverständlich hocherfreuter Michael Ballack auf Neuville draufgesprungen ist und Klinsi auf der Trainerbank ausflippte, aber danach war alles, was ich noch sehen konnte, klatschende Hände, wehende Deutschlandflaggen, lachende und begeisterte Gesichter, Menschen die sich in den Armen liegen. Das ist etwas, was man seinen Lebtag nie wieder vergisst. Davon werde ich noch meinen Enkelkindern erzählen. Auch ich umarmte sofort den kris neben mir und sprang in die Luft, brüllte und jubelte was das Zeug hält. Uns hat man bestimmt noch in Dortmund gehört, so laut waren wir. Und meine Speicherkarte der Digitalkamera war voll bevor dieses Wahnsinnstor fiel. Ist das nicht ungerecht? Was für ein Pech. Die Stimmung beim Tor konnte ich daher nicht einfangen. Ich könnte mir so in den Arsch beißen. Ich muss mir noch eine Speicherkarte holen glaube ich, Kris meinte vor dem Spiel das die mittlerweile supergünstig geworden sind. Ein paar Minütchen blieben wir noch dort stehen, jubelten in Richtung Leinwand. Wir entschieden dann aber doch, das es Zeit ist zu gehen. Wir drängelten uns raus, überall Gebrüll in mein an dem Abend sehr geschädigtes Ohr. Aber was solls, das war ein superspannendes Spiel mit fantastischem Ausgang, Bombenstimmung, was will man mehr.


Wir liefen dann zum Hauptbahnhof wo sich Kris’ und meine Wege trennten. Ich hüpfte in die 4, wo die Party dann heiter weiter ging und machte mich auf den Weg nach Hause. Immerhin musste ich ja heute wieder arbeiten. Auf dem Heimweg bin ich nochmal an der Packstation vorbei, denn ich bekam am Nachmittag eine Meldung, das ich ein Paket bekommen habe. Das war von Steffi, wie sich dann rausstellte. Wieder daheim telefonierte ich erst einmal mit Mama und meinem Kumpel Alex und landete dann etwa halb 1 im Bett. Total erledigt, aber schon sehr lange nicht mehr so glücklich und zufrieden gewesen….wenn man von den Schmerzen in Beinen und Rücken mal absieht. Egal. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was ich in der Nacht geträumt habe, aber ich habe den Tag bestimmt noch einmal Revue passieren lassen.


Das war es nun also, das WM-Spiel Deutschland gegen Polen, mit einem Ergebnis von 1:0 für Deutschland durch einen Treffer in der 91. Minute durch Oliver Neuville.

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